Der Spanier Montoya Salvadó findet auf dem Jakobsweg die Liebe, die ihn zum TSV Wennigsen führt

Von Tobias Kurz Neue Presse

 

Hay que seguir – du musst weitermachen

An so manche deutsche Gepflogenheit muss sich Bernat Montoya Salvadó noch gewöhnen. Dazu zählt auch das Kreisligaritual schlechthin – das Kabinenbier nach dem Training. „In Spanien trinken die Amateurfußballer auch mal ein Bier, aber nicht in der Kabine vor Trainer und Betreuer, sondern versteckt zu Hause“, erzählt der
28-jährigeKatalane, der seit dem Winter beim Kreisligisten TSV Wennigsen kickt. „Hier setzt sich der Trainer dazu und trinkt mit“, sagt er staunend und lacht.

Montoya Salvadó, der gebürtig aus Barcelona stammt, zog im Januar aus Andorra ins beschauliche Calenberger Land. Nach Deutschland führte ihn die Liebe. Bei einer Pilgerfahrt auf dem Jakobsweg lernte er vor zwei Jahren die Wennigserin Charlotte kennen. „Wir haben an meinem ersten Tag im selben Hostel übernachtet, sie ist den ganzen Weg gegangen, ich nur einen Teil.“ Danach trennten sich die Wege zunächst, drei Tage später trafen sich beide wieder. Der Kontakt blieb, wurde enger und schließlich wurden die beiden ein Paar. „Es war kein gewöhnliches Kennenlernen“, sagt Montoya Salvadó.

Die frische Liebe hielt auch aus der Ferne. Mal besuchte der Spanier seine Freundin in Deutschland, mal machte sich Charlotte auf die Reise. Bis sich im Sommer vergangenen Jahres ein Baby ankündigte. „Von da an haben sich unsere Pläne geändert“, erzählt er. Der Südeuropäer entschied sich dazu, nach Deutschland zu kommen, im Januar zog er bei den Eltern seiner Freundin in Wennigsen ein. Im Februar kam dann die kleine Ona zur Welt. „Ona bedeutet auf katalanisch Welle“, erklärt der stolze Papa.

„Ich habe gelernt, mich überall anzupassen“

Der Name passt zu Montoya Salvadós Leben. Schon als 18-Jähriger verließ er seine Familie in Barcelona, um in Lleida Sport zu studieren. Dort lernte er Emili Vicente kennen. Der spanische Ex-Fußballprofi war sein Dozent und betreute Montoya Salvadó während seines Praktikums als Athletiktrainer beim Club Lleida Sportiu. Nach fünf Jahren schloss der TSV-Neuzugang sein Studium ab, für seinen Master zog er weiter Richtung Westen nach La Rioja. „Ich bin Umzüge gewohnt und habe gelernt, mich überall anzupassen“, sagt er.

2016 kam es dann zum Wiedersehen mit seinem Mentor Vicente. Der war mittlerweile Trainer beim FC Andorra. „Er hat mich angerufen und wollte mich als Athletiktrainer in seinem Stab haben“, erzählt Montoya Salvadó. Lange zögern musste der Katalane nicht, für den Berufseinsteiger war das die große Chance. Der FC Andorra spielte damals zwar in der 5. spanischen Liga, hatte aber einige andorranische Nationalspieler unter Vertrag. „Das war kurios, weil einige Spieler, die ich trainiert habe, regelmäßig gegen große Nationen und Top-Profis spielen durften.“ Die Saison lief gut, die Mannschaft kämpfte um den Aufstieg.

Doch vor dem letzten Spieltag am 25. Mai 2017 erfuhr Montoya Salvadó schmerzhaft, wie schnell der Fußball von der schönsten zur unwichtigsten Nebensache der Welt werden kann. Sein Förderer Vicente starb im Alter von 52 Jahren nach einem Fahrradunfall. „Das war ein riesiger Schock für uns alle – und besonders für mich“, sagt der bald 28-Jährige, der nach dem Schicksalsschlag einen radikalen Schnitt machte.„Nach Emilis Tod habe ich mich komplett aus dem Fußballgeschäft zurückgezogen. Ich brauchte erstmal eine Pause.“

Während der FC Andorra eineinhalb Jahre später von Barcelona-Profi Gerard Piqué gekauft und bis in die 2. Liga geführt wurde, arbeitete Montoya Salvadó in Andorra La Vella als Sportlehrer sowie ehrenamtlich als Seelsorger bei der Kirche. Nebenbei spielte er Futsal in der dritten andorranischen Liga. Nicht zuletzt ein beliebter Satz seines verstorbenen Weggefährten Vicente trieb ihn weiter an: „Hay que seguir“ („Du musst weitermachen“). „Das ist mein Motto geworden“, sagt der dankbare Lehrling. „Emili hat das als Trainer sehr oft gesagt.“ Montoya Salvadó machte weiter – und lernte im Frühjahr 2018 eine Wennigserin kennen. „Aus einer schweren Zeit hat sich so irgendwie auch etwas sehr Schönes entwickelt“, sagt der Spanier, der mit Charlotte an seiner Seite auch zurück zum Trainerjob fand.

Beim andorranischen Rekordmeister FC Santa Coloma bekam er im Sommer 2019 den Posten als Fitnesscoach. „Das war eine weitere große Chance für mich. Die Bedingungen waren sehr professionell“, erzählt Montoya Salvadó. Dass sein Comeback in Andorra keine große Zukunft haben würde, war ihm da allerdings schon klar – seine Freundin war schließlich schwanger. „Dass ich den Job in Santa Coloma aufgeben musste, war ein bisschen schade für mich. Aber manchmal muss man sich im Leben entscheiden.“ Er entschied sich für die Familie – und bereut das bislang keineswegs. „Ich genieße die Zeit mit dem Baby sehr.“

Montoya Salvadó will nun ab Sommer in Hannover einen neuen Job im Trainerstab eines ambitionierten Fußballklubs finden. „Erst einmal möchte ich aber richtig Deutsch lernen, das ist wichtig. Ich habe schon länger ein bisschen mit einer App gelernt, seit einem Monat besuche ich auch einen Sprachkurs.“ Seine Fortschritte sind beachtlich, dabei hat ihm auch der Fußball beim TSV Wennigsen geholfen. „Das ist ein Grund, warum ich hier mit dem Fußball angefangen habe. Ich will mit Leuten reden, ihnen zuhören, wie sie über Dinge reden, die Kultur verstehen.“

Wennigser Fußballer
helfen beim Neustart

Die Mannschaft hilft ihm dabei, Montoya Salvadó fühlt sich beim Kreisligisten pudelwohl. „Das Team ist sehr freundlich. Ich bin dafür dankbar, wie ich dort aufgenommen wurde.“ Die Vorbereitung machte der flexibel einsetzbare Offensivspieler komplett mit und feierte beim 4:2-Testspielsieg gegen den TSV Nettelrede sogar seine Torpremiere. Seit einigen Wochen ist der Trainings- und Spielbetrieb wegen der Corona-Pandemie allerdings ausgesetzt. „Ich vermisse die Mannschaft und das Spielen sehr. Ich denke, das spricht für das Team“, sagt Montoya Salvadó und lacht.

Noch mehr als seine neuen Teamkollegen fehlen ihm allerdings Familie und Freunde aus Katalonien, die er nun nur noch per Videoanruf sehen kann. „Es ist schon hart, dass wir uns erstmal nicht treffen können. Wir wollen unseren Familien und Freunden so gerne unsere Tochter vorstellen“, sagt er. Verglichen mit seiner Verwandtschaft, die in Spanien einer sehr strengen Ausgangssperre unterliegt, gehe es ihm aber gut, betont er: „Ich kann laufen gehen und Fahrrad fahren. Der Deister ist direkt um die Ecke, das ist perfekt.“

Im Moment bleibt ohnehin nicht viel Zeit für andere Dinge, das Baby hält die jungen Eltern mächtig auf Trab. Und seinen Optimismus lässt sich Montoya Salvadó nicht nehmen. „Ich hoffe, dass die Lage in ein paar Monaten wieder etwas entspannter ist“, sagt er. Dann kann er vielleicht auch wieder seine Familie in Spanien besuchen. Und mit seinen Teamkollegen vom TSV Wennigsen ein Kabinenbier trinken.


 

 
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