Text: André Pichiri, NP
Sein Appell nutzte nichts: Bei der Jahresersammlung des TSV fand sich kein Nachfolger für Jürgen Stegen, der nach 20 Jahren als Vorsitzender nicht mehr zur Wahl antrat.
Nach dem Abschied des Vorsitzenden Jürgen Stegen findet der Verein keinen Nachfolger und muss mit einer Notlösung weitermachen
Alle Aufrufe des Vorstands, ein unrühmliches Novum in der Geschichte des TSV Wennigsen noch abzuwenden, waren am Ende vergebens. Erstmals seit der Wiedergründung 1945 steht der größte Verein der Gemeinde ohne einen ersten Vorsitzenden da. Auf der Jahreshauptversammlung fand sich kein Nachfolger für Jürgen Stegen (73), der nach 20 Jahren nicht mehr zur Wiederwahl antrat. „Das ist sehr bedauerlich und macht die Aufgaben, vor denen wir in den kommenden Jahren stehen, nicht einfacher“, sagt Pressewart Matthias Fetköther.
Mit 1344 Mitgliedern gehört der TSV zu den größten Vereinen der Region. In fünf Sparten wird Fußball, Handball und Tennis gespielt, geturnt und getanzt. „Die Entwicklung ist positiv, allein in diesem Jahr haben wir rund 150 Mitglieder hinzugewonnen“, sagt Vizevorsitzender Reinhard Narten. Die größten Zuwächse verzeichneten die Fußballsparte mit etwa 80 Neuzugängen und das Turnen mit weiteren 50. Insbesondere das Neubaugebiet Caleidis mit vielen jungen Familien bescherte dem Sportverein einen Schub. „Da steckt noch viel Potenzial drin“, ist Fetköther überzeugt.
Ein Abschied mit Ansage
Das Interesse am Vereinsleben beschränkt sich für die meisten Mitglieder aber offensichtlich aufs Sporttreiben: Keine 60 TSVer kamen jetzt zur Jahreshauptversammlung – obwohl Stegen nach immerhin 20 Jahren als Vorsitzender verabschiedet werden sollte. Die Wahl eines Nachfolgers war als Tagesordnungspunkt dann auch schnell abgehakt. Auf die Frage, ob sich jemand zur Wahl stellt, blieben die Arme unten. „Das war leider keine Überraschung mehr, sondern hatte sich schon angedeutet“, so Pressewart Fetköther. Bereits bei seiner letzten Wiederwahl 2022 hatte Stegen sein Ausscheiden für 2024 angekündigt und jüngst nochmals öffentlich an die Mitglieder appelliert, eine Kandidatin oder einen Kandidaten zu stellen – doch vergeblich.
Jetzt steht der TSV also ohne Vorsitzenden da. Was bedeutet das für die Zukunft des Sportvereins? Und wie lange darf er mit einem vakanten Chefposten weitermachen? „Wir sind weiterhin geschäftsfähig“ stellt Narten klar, der jetzt gemeinsam mit Fetköther, der dritten Vorsitzenden Margret Hoffmann und den fünf Spartenleitungen den geschäftsführenden Vorstand stellt. So sieht es das Vereinsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vor. Das heißt: Stegens bisherige Aufgaben werden vorerst auf mehrere Schultern verteilt – eine Notlösung, die den Ehrenamtlichen zusätzliche Arbeit und Verantwortung beschert.
Vize wird nicht neuer Chef
Vom Stellvertreter zum Chef aufzurücken, kam für Narten dagegen nicht infrage. „Reinhard ist unser Mann für die Zahlen“, sagt Fetköther und hebt die Finanzexpertise seines Vorstandskollegen hervor. „Seine Aufgaben hätte jemand anderes übernehmen müssen. Das hätte wieder eine Lücke gerissen.“ Auch das Alter spiele eine Rolle. Narten ist 68 Jahre alt, Fetköther 66 – „das hat keinen Sinn“, so der Pressewart.
So viel steht fest: Stegen hinterlässt große Fußstapfen. Sein Netzwerk und seine Erfahrung würden dem TSV künftig fehlen, betont Narten. Dabei gehe es um repräsentative Aufgaben in der Öffentlichkeit, die Koordination der Sparten und der Hallenzeiten, finanzielle Verantwortung, Unterstützung von Projekten sowie die Pflege von Kontakten.
Bisheriger Vorsitzender will
seinen Nachfolger einarbeiten
All das auf Anhieb allein meistern müsste der Nachfolger oder die Nachfolgerin jedoch nicht. Im Gegenteil: „Jürgen Stegen hat immer wieder seine Unterstützung zugesichert, die Person einzuarbeiten“, betont Fetköther. „Und wir anderen Vorstandsmitglieder sind ja auch noch da. Es muss niemand die Sorge haben, ins kalte Wasser geschmissen zu werden.“
Bleibt es dennoch bei dem vakanten Chefposten, müsste der Verein mit dem Notkonstrukt eines geschäftsführenden Vorstands weitermachen – mindestens bis zur nächsten Jahreshauptversammlung 2026. Das ist eine lange Zeit, in der wichtige Projekte anstehen. So will der Verein unter anderem die Tennisplätze für rund 120.000 Euro modernisieren. Der Ballfangzaun am Kunstrasenplatz müsste dringend ersetzt werden, und der Rasenplatz braucht eine neue Drainage zur Entwässerung. „In diesem Jahr sind wir nach einem Starkregen schon einmal abgesoffen, da stand alles unter Wasser“, sagt Fetköther. Ganze fünf Spiele habe die gesamte Fußballsparte 2024 auf dem Waldsportplatz am Deisterrand austragen können.
Was bleibt, ist die Hoffnung, diese Herausforderungen mit einem kompletten Vorstand in Angriff nehmen zu können. Findet sich ein Bewerber oder eine Bewerberin, könnte die Wahl per außerordentlicher Mitgliederversammlung jederzeit stattfinden. „Wir werden unsere Hände jetzt nicht in den Schoß legen, sondern uns weiterhin um einen neuen Vorsitzenden bemühen“, kündigt Fetköther an. „Ob uns das gelingt, werden wir sehen.“