Bericht von Erk Bratke, Deister Journal
Alles neu macht der Mai oder in diesem Fall besser gesagt: Alles neu macht der Menotti. Wie jetzt, Sie wissen immer noch nicht wer das ist? Menotti ist Roman Wallat, ein Wennigser Jugendfußballtrainer und Erfinder der Kinder-Sportjournalisten-Figur namens – richtig: Menotti.
Aufmerksame Leser des Deister Journals kennen sowohl Wallat als auch die fiktive Kunstfigur, die der Wennigser dem ehemaligen argentinischen Nationaltrainer César Luis Menotti (WM-Titel 1978) nachempfunden hat. Ein ausführliches Porträt veröffentlichten wir im Herbst des vergangenen Jahres.
Natürlich stellte Menotti daraufhin seine Arbeit nicht ein – weder bei der III. E-Jugend des TSV Wennigsen noch die Berichterstattung über „seine“ Jungs. Brandaktuell liegt ein neuer Text vor, den uns „Kollege Wallat“ exklusiv zur Verfügung stellte: Ein Bericht zum 4:0-Erfolg seines Teams über den TSV Kolenfeld – zu lesen am Ende unter der Rubrik „Zum Thema“.
Doch es gibt weitaus mehr Neuigkeiten, denn Menotti geht auf Reise. Konkreter gesagt: auf Lesereise. Auswärtsspiele – immer schwierig, oder? Während Auftritte für Wallats E-Jugendliche fernab des Wennigser Waldsportplatzes längst Alltag bedeuten, betreten er beziehungsweise Menotti absolutes Neuland.
Eine erste Lesung im Vorjahr fand in Wennigsen den gewünschten Erfolg. Drei Auswärtspunkte, so möchte man meinen. Daraufhin angesprochen, wurde die Idee entwickelt, die sogenannte „Tour de Calenberg“ auch außerhalb der Großgemeinde fortzusetzen. „Erste Termine sind bereits in Sack und Tüten. Wir haben drei Lesungen ins Auge gefasst“, meldete Roman Wallat kürzlich.
Die Tourdaten
Das erste Auswärtsspiel führt ins „Korki“ nach Basche – Menotti gastiert am Donnerstag, 25. Juni, im Clubheim des TSV Barsinghausen am REWE-Sportpark. Weiter geht’s am 3. Juli mit einem Gastspiel in Völksen, wo eine öffentliche Wohnzimmerlesung bei der Familie Herwig-Garcia stattfinden soll. Hausherr Markus Herwig ist Mitglied der Kestner-Gesellschaft und hat bereits Lesungen im großen Rahmen organisiert. „Das große Haus und das weiträumige Grundstück direkt am Deister bieten einen tollen Rahmen“, sagt Roman Wallat.
Wenig später werden die Wennigser Fußballjugendtage durch eine Menotti-Lesung eröffnet, und zwar am 9. Juli in den Räumlichkeiten der Kulturmacher der Calenberger Kulturwerkstatt (Hirtenstraße 23). Für den 10. Juli ist noch eine Überraschungslesung in Gehrden geplant. „Irgendwo im Zentrum der Burgbergstadt. Die Macher der Calenberger Kulturwerkstatt, die auch die Lesungen präsentieren, machen die Räumlichkeiten noch dingfest“, erklärte Wallat.
Und noch etwas wird bei den geplanten Lesungen neu sein: „Menotti wird von einem 15-jährigen südamerikanischen Typen, der ein Geheimnis aus seinem Namen macht, begleitet. Gerüchteweise handelt es sich um Pedro Pretticol“, blickte Menotti voraus. Man darf zweifellos gespannt sein.
Zur Person
Roman Wallat ist 40 Jahre alt, wohnt in Sorsum bei Wennigsen in einem Holzhaus. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne. Zur Schule ging er in Barsinghausen – zum Hannah-Arendt-Gymnasium, das seinerzeit noch ganz anders hieß beziehungsweise keinen Namen trug (einfach nur GTG für Ganztagsgymnasium). In der Folge war er für einige Zeit in Italien, studierte Finanzwesen sowie Philosophie und Germanistik. Mittlerweile arbeitet er Teilzeit in einer Behörde und schreibt gelegentlich an einem Roman – und über Jugendfußball unter dem Namen „Menotti“.
Zum Thema
Die Scholz’sche Wunderheilung: Eis-Phantasie oder auch Korruption beim Fußball
„Nein, Frau Mantei, kein Stress, alles klar, wir warten. Gönnen Sie sich ein Schnaps! Wir warten. Wir beginnen mit der Partie einfach später. Ich bin der Schiedsrichter, und wenn Johann The Rocket noch nicht da ist, weil seine Ma eine Lesepanne hatte, dann pfeifen wir das Match einfach eine halbe Stunde später an! Kein Problem. Ich bin Schiedsrichter und Sportdirektor, da geht das, da besitze ich gewisse Kompetenzen, Sie verstehen…“ Sportdirektor Köster steht, das Handy lässig am Ohr, in der verdunkelten Kabine, neben ihm Coach Wallat, der ihm mal kurz die Telefonnummer von Johann The Rocket steckte, nachdem er akuten Zahnschmerz wegen seiner Offensivabteilung bekam. Noch gestern Abend hatte Del Rio Roca abgesagt. Begründung: nicht aussagekräftig.
„Herr Köster, das ist mir aber peinlich.“ Frau Mantei ringt nach Luft. „Geht das denn wirklich?“
„Ja, kein Problem.“
„Wirklich, Herr Köster?“
„Aber natürlich, Frau Mantei.“
„Na, Gott sei dank.“
„Kolenfeld ist auch nicht da.“
„Wie!?“
„Reifenpanne. Die Jungs aus Kolenfeld hatten eine Reifenpanne.“ Sportdirektor Dr. Köster grinst Coach Wallat schelmisch an und verstaut sein Handy fachmännisch in der Jackentasche.
Circa eine halbe Stunde später, kurz vor Anpfiff der Partie gegen Kolenfeld in der Wennigser Kabine. Alle Spieler der Wennigser E3 sitzen auf ihren Plätzen. Mehr oder weniger. Thorben Overall macht seinem Namen alle Ehre und hüpft durch die Kabine und schmeißt die Taktiktafel um. Coach Wallat wird immer nervöser und nestelt in seiner Jackentasche herum, steht in der Mitte der Kabine, zu Ansprachezwecken, greift in seine Jackentasche, um etwas herauszuholen und… – findet einen 50 Euro-Schein! Er wirkt überrascht. Was hat er gesucht? Taktische Notizen? Kurze kryptische Zusammenfassungen? Kaugummis? Der Coach betrachtet den 50 Euro-Schein wie paralysiert, dann hält er ihn gut sichtbar für alle Spieler ins Licht und spricht: „Nach dem Spiel essen wir ein Eis, Jungs!“ Er fügt hinzu: „Jungs, das ist Kohle aus der Mannschaftskasse. Heute machen wir einen drauf!“
Yeah! Allgemeines Gebrüll. Zum ersten Mal seit Wochen lächeln – lächeln alle Spieler gemeinsam! Ich glaub’s nicht. Dann verlassen die Wennigser Spieler die Kabine, und ich kann Gedanken lesen, ich kann definitiv Gedanken lesen, Abwehrspieler Rick „The Eye“ Pirkner denkt: „Mann, cool, Trainer, wusste gar nicht, dass unsere Mannschaftskasse keine Kasse, sondern eine Jackentasche ist.“
Die Partie beginnt. Und obwohl in der Anfangsphase nichts Entscheidendes passiert – die Spielanteile sind ausgeglichen, Kolenfeld wirkt körperlicher, Wennigsen torgefährlicher: Johann The Rocket konnte sich schon ein zweimal am rechten Flügel durchtanken – scheint mir persönlich heute einiges möglich. Waldsportplatz, Ende April, da geht immer was.
8. und 9. Minute: Wow, Doppelschlag für Wennigsen! Erst Johann The Rocket auf Pass von Dominik Smirnov. The Rocket nimmt unnachahmlich Speed auf und schließt trocken wie der Beißer von Barelona ab. Dann dribbelt sich Dominik Smirnov Robben-like durch den Kolenfelder Abwehrparcours und netzt mit seinem Linken ein.
Wahnsinniger Druck der Kolenfelder. Zur kurzer Abschlag von dem hervorragenden Keeper Bent Westhoff. Oskar Casillas Wallat haut sich todesmutig in den Schuss, und wehrt das Ding mit der Fußsohle ab. Dann: Ein Aufschrei im Publikum, ein Schuss streicht am Wennigser Pfosten nur so entlang. Schließlich: Das muss es sein, ein Fernschuss, wunderbare Flugkurve, ab auf’s Wennigser Tor und – klatsch: Latte. Nach fast 25 Minuten blickt Sportdirektor Köster auf seine Uhr und pfeift ab.
In Halbzeit 2 hütet Dominik Smirnov das Wennigser Tor. Bent Westhoff fungiert als 6er und macht seine Sache ebenso – wie auch Dominik im Tor – hervorragend. Man muss tatsächlich, gelegentlich, Erfolg erzwingen: Dominik Smirnov hatte sich in der Halbzeitpause zunächst geweigert, die Torwartklamotten anzuziehen, dabei hatte sich Dominik, wie auch Oskar, im Training um den Torwartposten beworben. Scheinbar sah Dominik Chancen, in dieser Partie noch ein Tor zu erzielen und vergaß all seine anderen Interessen…
Als Johann The Rocket, mit links (!), in der 40. Minute zum 3:0 trifft, ist die Partie entschieden, aber noch nicht alle wichtigen Dinge sind geschehen: Jo Scholz, in der zweiten Hälfte im linken Mittelfeld unterwegs muss auf eigenen Wunsch unter immensen Armschmerzen ausgewechselt werden, derweil Dario Smirnov in der letzten Spielminute für den sportlichen Abschluss sorgt. Dribbling, tolle links-rechts-Fußkombination, hohes Tempo und die Kugel mit dem Außenrist im letzten Moment am heraus jagenden Kolenfelder Torwart vorbeigelegt. 4:0.
Nach der Partie in der Wennigser Kabine herrscht bei allen Beteiligten gute Laune, nur Jo Scholz ist bewegungsunfähig. Er hängt mit halb geschlossenen Augen auf seinem Platz. Seine Beine baumeln von der Kabinenbank. Nichts geht. Die anderen Jungs haben sich schon nahezu umgezogen, nur Johannes macht nichts.
„Johannes, was ist?“ Coach Wallat stellt sich zu ihm.
„Der Arm tut so weh. So doll.“
„Brauchst Du Eis aus dem Koffer? Ich hol’ Dir was zum Kühlen.“
„Nein, nein.“
Da betritt Herr Christian Scholz die Kabine und wird ungeduldig, alle Jungs sind fast fertig nur Sohnemann Johannes hat nicht mal mit den Schuhen begonnen. Johannes erklärt seinem Pa, dass er den Arm nicht bewegen kann, der fürchterlich schmerzt. Und Herr Christian Scholz kümmert sich um das Umziehen seines Sohnes wie um das Anziehen eines äh… Kleinkinds, dann spricht er: „Wir essen gleich eine Bratwurst zum Mittag, Johannes.“
„Bratwurst? Oh, nein.“
„Wie, oh nein?“
„Ich will ein Eis!“ Johannes, wie urplötzlich aus einem Dämmerschlaf erwacht.
„Nein, Bratwurst, Johannes.“
„Nein Eis, Pa. Wir, die ganze Mannschaft, wir gehen alle zur Eisdiele!“
„Und was ist jetzt mit dem Arm?“ Herr Christian Scholz staunt, dass sich sein Sohn Jo plötzlich selbstständig und ziemlich rasant bewegen kann.
„Das geht, Pa. Merke nichts. Wir essen Eis, Pa.“
„Eis kühlt,“ merkt Coach Wallat, der auch noch in der Kabine weilt, an.
Herr Scholz lächelt und erwidert: „Ja, das sehe ich. Das ist nicht zu übersehen.“
In der Wennigser Eisdiele namens Eis-Phantasie hängt eine Waldorf-Lehrerin ab und beglückwünscht einige Spieler, die sie persönlich kennt, voller Überschwang per Handschlag zur siegreichen Fußball-Partie, während Dario und Dominik Smirnov dem Eis-Maestro über den Tresen entgegen rufen: „Wir sind eine Mannschaft! Wir haben gewonnen. Wir kriegen alle ein Eis.“
Nicht viel später haben alle Spieler ein Eis in der Hand, und Sportdirektor Köster auf einer Sitzbank vor der Eisdiele sitzend, denkt sinnierend nach: „Zum Fußball an sich, zum Wesen des Fußballs gehört die Korruption, die Bestechung. Wir müssen dieses Image pflegen. Mann, wir haben unseren Job getan.“ Dann springt er auf und ruft: „Tschüss Jungs, bis nächste Woche. Ciao!“
„Ciao, sportdirectore.“
Und ciao a tutti.
Es grüßt
Menotti